Ein wichtiges Jahr für Graz war 2003, als die Stadt zur Kulturhauptstadt Europas auserkoren wurde. In Zuge dessen entstanden viele interessante neue Bauwerke in Graz wie das Grazer Kunsthaus oder die Murinsel. Die Geschichte der modernen Architektur in der Steirischen Landeshauptstadt geht aber auf die 1970er Jahre zurück.
In diesem Jahrzehnt wurde der Begriff der „Grazer Schule“ in der Architektur geprägt. Unter diesem Begriff fasst man jene heterogene Gruppe junger Architekten zusammen, die jegliche Tradition negierten und sich auch wenig um aktuelle Entwicklungen der Zeit kümmerten. Heute sind diese ehemaligen „Hippies“ der Architekturszene geschätzte Lehrer auf Fakultäten im In- und Ausland und bauen mehr denn je.
Die Dichte an moderner Architektur, im Ensemble mit klassischer, die in Graz natürlich auch nicht fehlt, ist besonders groß. Bereits wer ankommt erhält einen ersten Vorgeschmack mit dem Flughafen von Riegler.Riewe, oder auch dem modernen und lichtdurchfluteten Bahnhof von Zechner & Zechner. Beide Gebäude sind funktional, aber gleichzeitig auch ästhetisch ansprechend und damit ein gutes Beispiel dafür, dass sich beides nicht zwangsläufig widersprechen muss.
Unübersehbar ist natürlich das Kunsthaus der englischen Architekten Peter Cook und Clan Fournier. Ein fremdartig anmutendes Gebäude, das wie ein Alien über den klassischen roten Dächer von Graz herausragt. Wie so oft ursprünglich ein Objekt der Hassliebe unter den Grazern, eine blobartige Struktur mit der sich zunächst viele nicht anfreunden konnten. Für viele wirkte das ungewöhnliche Gebäude wie ein übergroßes Körperorgan, das in die Stadt hineingepflanzt wurde. Besonders markant ist es auf Satellitenaufnahmen zu sehen. Heute aber mag sich kaum noch einer das Kunsthaus aus dem Stadtensemble wegdenken. Es hat sogar einen liebevollen Kosenamen erhalten – das „friendly Alien“. Besonders schön ist das Kunsthaus übrigens bei Nacht, denn dann werden die dunkelblauen Acrylglasplatten auf der Außenfacade mit tausend Lichtern beleuchtet, die so programmiert werden, dass Text und einfache Bilder dargestellt werden können.
Auch im Bereich der Mur zu finden ist die Murinsel. Ein künstliches Eiland, wie eine halboffene Muschel, die begeht werden kann und soll. Verantwortlich dafür ist der amerikanische Künstler Vito Acconci. Ausgestattet ist die Insel mit einem Café und einer Openair-Bühne.
Ein Neuzugang im Stadtbild ist das Argos von Zaha Hadid. Das Gebäude wurde 2018 fertiggestellt und hat bereits bei seiner Einweihung viel Lob erhalten. Ein modernistisches Meisterwerk mit sehr auffälligen Erkern. Es fällt durch seine asymmetrisch angeordneten, nach außen geschwungenen Fenster auf, die übergroßen Glubschaugen ähneln. Der Name entstammt entstammt dem antiken Mythos des Riesen Argos mit seinen hundert Augen. Eine sehr passende Bezeichnung.
Auf dem Titelbild unserer Startseite zu sehen ist die neu renovierte Hauptbibliothek der Universität Graz. Ein wahrer Augenschmaus. Das spannende neue Design ist geprägt durch ein massives freitragendes Gerüst aus Stahl und Glas, das sich über das Dach des ursprünglichen Gebäudes der Bibliothek legt. Die ursprüngliche Fassade von 1895 ist ebenfalls noch zu sehen. So wirken beide Gebäudeteile wie eine architektonische Symphonie, die in der Zeit verloren gegangen ist.